Frau Kuhfuß, Sie sind Project Manager des LinuxTag. Wofür steht der LinuxTag und wofür ist er bedeutender Impulsgeber?
Wir haben es beim LinuxTag mit einer echten Kongressmesse zu tun, auf die neben den ausstellenden Unternehmen auch die Anwender und Entwickler kommen. In Berlin trifft sich alljährlich die gesamte Open Source Branche Europas: Vom Keynote-Speaker bis zum Kernel-Entwickler, vom Arbeitgeber bis zum Trendsetter und vom Profi bis zum Neueinsteiger. Auf anderen großen IT-Messen ist Open Source Software ein Teil des Messeprogramms. Auf dem LinuxTag stehen Linux und Open-Source-Software ausschließlich auf der Agenda.
Warum spricht man bei Open Source von einer weltweit sozialen Bewegung?
Den Quellcode für jedermann zugängig zu machen und offen zu legen, so dass ihn jeder verändern, nutzen und kopieren kann, war vor nun fast 25 Jahren die Antwort der „Freien Software“ auf die zunehmende Kommerzialisierung des IT-Marktes. Bei Open Source konkret steht das Entwicklungsmodell im Vordergrund, das bedeutet, so viele Menschen wie möglich einzubeziehen und nicht nur eine kleine Gruppe. Inzwischen geht es daher nach der„Offenlegung“ der Quellcodes um die „Befreiung“ von Wissen bzw. Wissenshoheit im Allgemeinen. Ein Beispiel dafür ist WikiLeaks oder Wikipedia. Der Begriff vom sogenannten „kollektiven Schatz freien Wissens“ macht weltweit die Runde.
Wer ist hier auf dem LinuxTag in den Berliner Messehallen vertreten und was, wenn es sie denn gibt, macht diese Klientel aus?
Auf dem LinuxTag sind die treuen und die neuen Open Source User vertreten, denn natürlich steht und fällt die Open Source-Szene mit denen, die sie entwickeln und weiter bringen. Sie bestimmen, wohin die Reise geht. Die meisten kommen in erster Linie, um sich nicht nur theoretisch mit der Thematik zu beschäftigen, sondern um vier Tage lang in eine eigene Welt einzutauchen. Viele der Besucher möchten die Macher hinter den Projekten kennen lernen und natürlich die Projekte und Produkte selbst erleben und anschauen. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob als Neueinsteiger, Adminsitrator, CIO oder CTO. Der Austausch unter Gleichgesinnten und das Vernetzen spielt auf dem LinuxTag immer eine besonders wichtige Rolle, eben auch für die kommerziellen Unternehmen und Hersteller von Open Source-Software. Denn oft erweitern Sie nicht nur ihr IT-Team um ein weiteres, qualifiziertes und lang gesuchtes Mitglied, sondern gewinnen wertvolle Kontakte für weitere Aufträge und Projekte.
Was sind die drei schlagkräftigsten Argumente, um jemanden zur Nutzung von freier Software zu bewegen?
Die Finanzkrise ist der beste Beweis dafür, dass es schwierig werden kann, sich einzig und allein an einen Hersteller zu binden. Nichts ist im Grunde nachhaltiger als Open Source-Software, da sie herstellerunabhängig ist. Auch die jüngsten Entwicklungen in Japan knüpfen an diese Erkenntnis an. Ein weiteres Argument ist natürlich die hohe Flexibilität, die Software , je nach Bedarf, anpassen zu können und damit einhergehend die Geschwindigkeit der Anpassung und Weiterentwicklung. Proprietäre, also lizensierte Software kann mit der Schnelligkeit, wie rasant neue Open Source Anwendungen oder Versionen auf den Markt kommen, nicht Schritt halten, dafür ist das System eben zu geschlossen.
Sagen Sie bitte etwas über die Highlights auf dem LinuxTag in Berlin.
Da gibt es auch in diesem Jahr sehr viele. Allen voran natürlich die diesjährigen Keynotes von RedHat, Oracle und Greenpeace. Über letztere freue ich mich persönlich besonders und werde sicher auch am Sonnabend, 14. Uhr, die Keynote von Frau Claudia Sommer „How Open Source changes the world“ verfolgen. Viele freie Projekte sind traditionsgemäß auf dem LinuxTag Highlights, die jedes Jahr aufs Neue zeigen, wohin die Trends gehen. Auch der Security-Day in der Open Source Arena in Halle 7.2b, der in dieser Form übrigens seine Premiere feiert, ist ein Format, das mir am Herzen liegt. Wer keine Angst vor „Freitag, dem 13.“ hat, sollte unbedingt heute vorbei schauen. Neben zahlreichen Vorträgen für Einsteiger und Interessierte findet der 10. Hacking Contest von Astaro auf dieser Bühne statt. So viel konzentrierte Spannung auf einem Fleck habe ich selten erlebt. Ich bin gespannt, welches Team diesmal den 1. Preis mit nach Hause nehmen wird. Und passend zum Security-Day findet um 16.15 Uhr und 17.15 Uhr ein sehr spezieller Workout-Workshop statt. Echte Shaolin-Meister führen die Teilnehmer in die asiatische Kampfkunst des Schattenboxens ein, dem Taijiquan.
Können Sie heute schon eine Bilanz des LinuxTag 2011 ziehen?
Die Stimmung ist sehr gut, die Qualität der Gespräche bestens. Wichtiges Indiz ist für uns Messemacher der Geräuschpegel, der so genannte Bubble-Faktor und der fällt in diesem Jahr besonders hoch aus.
Warum ist der Pinguin Teil der LinuxTag-Kampagne? Gibt es dahinter eine Geschichte?
Der Pinguin ist untrennbar mit dem Distributionssystem Linux und seinem Erschaffer Linus Torvalds verbunden. Seit 1996 ist „Tux“ Teil der Torvalds- und Open Source-Familie und nicht mehr wegzudenken. Er ist das Symbol der Szene. Dass wir als LinuxTag auch unter der Flagge der Pinguine reisen, ist daher nur konsequent. Der Pinguin ist ein Sympathieträger par excellence. Außerdem kann der Pinguin, da er nicht fliegen kann, auch nicht abstürzen - Und das macht ihn für die IT-Branche, in der abstürzende Computersysteme keine gute Figur machen, noch sympathischer.
Wann findet der nächste LinuxTag statt?
Das steht natürlich schon fest. Der nächste LinuxTag findet vom 23. bis 26. Mai 2012, wie gewohnt, auf dem Berliner Messegelände statt.
Interview: Messe Berlin
Hier finden Sein einen Link zu einem Foto von Petra Kuhfuß: Foto