Featured: Vincent Untz, GNOME/Novell

30.05.2011 18:06
Anika Kehrer

Wir dachten schon, er will nicht mitmachen - dabei hat uns seine Antwort wegen eines Zustellfehlers jetzt erst erreicht, nach dem LinuxTag! Quel malheur... Der Franzose Vincent Untz ist seit 2002 beim GNOME-Projekt und seit 2008 unter dem Dach des Linux-Distributors Novell im openSUSE-Projekt aktiv. Der 30-jährige Ingenieur findet seinen Job verrückt, liebt ihn aber gerade deswegen, und ein perfekter Tag ist für ihn, wenn es beim Aufwachen schneit.

Vortrag #1 "Pushing for more cross-distribution collaboration", Freitag, 13.05.2011, Raum Berlin I, 10 - 11 Uhr: This talk will discuss cross-distribution collaboration, with examples of successes and failures. It will highlight when collaboration is possible and how to build the environment that can encourage such efforts. zum Vortrags-Abstract #1

Vortrag #2 "Rejuvenating your desktop with GNOME 3", Samstag, 14.05.2011, Raum Berlin II, 11 - 12 Uhr: The talk will describe the process that lead to the GNOME 3 creation, will describe the main changes delivered in this new major version and will provide hints towards future development of GNOME. zum Vortrags-Abstract #2

Backstage mit Vincent

Vincent, Du bist sowohl seit langem Mitglied der GNOME Foundation als auch Releasemanager im Projekt. Findest Du, dass sich das "politische" und das technische Engagement unterscheiden?

Eigentlich bin ich seit der Release von GNOME 3 im April kein Releasemanager mehr. Version 3 war die letzten drei Jahre lang unser primäres Ziel, und jetzt, da wir sie veröffentlicht haben, möchte ich mal andere Rollen bekleiden.

Ich würde aber sagen, dass ein wesentlicher Teil der Releasemanager-Rolle (allgemeiner, der Rolle als Mitglied im Release-Team) gar nicht so technisch ist. Es geht mehr um Arbeitsorganisation, um Ziele und um die Erwartungen der Community. In vielerlei Hinsicht ähnelt es dem, was der Vorstand der GNOME Foundation macht.

Ich glaube, bei beidem ist das wichtigste, das ganze Projekt im Blick zu haben. Das klingt vielleicht einfacher als es ist, denn GNOME ist ein wirklich großes Projekt - es gibt viele Mitwirkende, Teams und Unterprojekte. Dazu gehört zum Beispiel, alles mitzuverfolgen, anstehende Probleme zu erkennen, die das ganze Projekt betreffen, genauso wie Bereiche, auf die man sich mal konzentrieren sollte, und mit jedem zu kommunizieren.

Das ist der größte Unterschied zu einer rein technischen Rolle, wo man sich oft auf einen kleinen speziellen Bereich konzentriert und daran mit einer überschaubaren Anzahl Leute arbeitet. Das heißt allerdings nicht, dass die technische Arbeit einfacher ist ;-)

GNOME ist ein Desktop-System, etwas, von dem die meisten nicht mal wissen dass es losgelöst vom Betriebssystem existiert. Was hast Du für Erfahrungen gemacht, wenn Du Leuten GNOME erklärst?

Das stimmt, viele nehmen dn Desktop als selbstverständlichen Teil des Betriebssystems hin, während sie sich weniger schwertun, bestimmte Anwendungen als alleinstehende Projekte zu erkennen. Das kann ein Problem sein, denn so ist die Marke GNOME viel unbekannter als zum Beispiel die Distributionen. trotzdem ist aber unser Ansatz, dass der Desktop eng mit dem Betriebssystem verbunden sein sollte, weil das die optimale User Experience ermöglicht. So gesehen ist es ein Erfolg für uns, wenn Leute den Desktop als Teil des Betriebssystems begreifen.

Wenn ich nicht-Technikern GNOME erkläre, vereinfache ich meistens derart, dass GNOME mehr oder weniger alles ist, was sie auf dem Bildschirm sehen (außer den Anwendungen natürlich). Mit GNOME startet man also eine Anwendung, mit GNOME schaltet man zwischen Anwendungen und Fenstern hin und her, mit GNOME interagiert man mit der Hardware oder greift auf Dateien zu usw.

Es ist allerdings wert darauf hinzuweisen, dass Leute GNOME schnell kennenlernen und den Unterschied zwischen dem GNOME-Projekt und darunterliegenden Schichten verstehen, sobald sie sich für die Verbesserung des Anwendererlebnisses interessieren.

Von GNOME, openSUSE und dem ganzen restlichen Techiversum einmal abgesehen - welcher Teil des Lebens interessiert Dich, was findest Du faszinierend?

Irgendwie bin ich dafür bekannt, Eis und die französische Sprache zu lieben. Mais j'ignore vraiment pourquoi ;-)

Ich glaube mich interessiert so ziemlich alles. Natürlich habe ich nicht wirklich Zeit, mich für alles zu interessieren, das wäre ja ein 24/7-Job. Aber ich kann etwas über einen Komponisten, eine Fernsehshow, ein Land, ein Insekt, einen Planeten oder irgendwas anderes hören, und dann suche ich stundenlang Informationen darüber. Leider kann mein kleines Gehirn das nicht alles behalten... Ich glaube, Wissen an sich interessiert mich.

Du arbeitest als "Booster" im openSUSE-Projekt unter dem Dach von Novell. Das bedeutet, Du hilfst Teams und technischen Unterprojekten bei der Organisation. Wenn man sich das mal etwas genauer vorstellen möchte: Wie sieht ein typischer "Vincent-Tag" aus?

Ah, ich glaube es gibt keinen typischen Vincent-Tag. Es gibt da eine ganze Reihe Sachen, die ich mache:

- Am Montag helfe ich vielleicht Leuten, zum openSUSE-Projekt beizutragen und es zu verbessern (dazu gehört Mentoring, Reviewing, Entschsidungen anstoßen...).
- Am Dienstag hacke ich vielleicht stundenlang an einer bestimmten Technologie (GNOME zum Beispiel) und ignoriere den Rest der Welt, oder ich schaue mir eingeschickte Patches an.
- Am Mittwoch bin ich vielleicht auf einer Konferenz - entweder um dabei mitzuhelfen, oder um einen Vortrag vorzubereiten/zu halten, oder einen Stand zu besetzen, oder um mit Leuten zu diskutieren.
- Donnerstags sind dann vielleicht Meetings dran: zum Beispiel Team-Meetings, oder Treffen mit Leuten von anderen Projekten, um zu sehen, wie wir in einer bestimmten Sache zusammenarbeiten können, oder Meetings, die sich mit einem bestimmten technischen Problem befassen. Oder ich kümmere mich um diverse organisatorische Angelegenheiten (etwa sicherstellen, dass Leute bekommen, wonach sie gefragt haben).
- Freitags sind dann tonnenweise E-Mails dran, und dann mache ich womöglich gar nichts anderes, weil ein Großteil meiner Tätigkeit aus Kommunikation besteht. Ich antworte allerdings meistens eher spät.
- Am Wochenende schließlich habe ich entweder mal ein bisschen frei, oder ich hole das eine oder andere von dem ganzen eben Genannten nach.

Es ist schon eine etwas verrückte Arbeit, weil es so viele verschiedene Bereiche gibt, so viele kleine Aufgaben und so viele Leute zum Abstimmen. Aber meine Arbeit ist wirklich super!

Was hat Dich bewogen, auf dem LinuxTag 2011 einen Vortrag zu halten?

Ich wollte in Berlin eine schöne Zeit haben :-) Eigentlich war ich nicht sicher, ob ich es dieses Jahr schaffen würde, weil es einen zeitlichen Konflikt mit einem anderen Event in Frankreich gab. Aber der LinuxTag ist eine tolle internationale Veranstaltung, und während wir ja gerade GNOME 3 vorbereiteten, hatte ich das Gefühl, ich sollte diese Gelegenheit nicht verpassen.

Außerdem kommen immer tolle Leute nach Berlin, und es ist eine super Gelegenheit, um die anderen Teammitglieder von Angesicht zu Angesicht zu treffen!

Vincents Steckbrief

Geburtsort: Grenoble, Frankreich.

Wohnort: Grenoble, Frankreich. Ich bin aber schon einige male umgezogen seit meiner Geburt :-)

Alter: 30

Lieblings-Programmiersprache(n): C / Python

Lieblings-FOSS-Betriebssystem-Derivat(e): openSUSE :-)

Ein Tag ist für mich perfekt, wenn ...
... ich ein Problem gelöst habe, von dem ich besessen war, oder wenn ich aufwache und es draußen schneit.

Mir verdirbt so richtig die Laune, wenn ...
... Leute nicht zusammen arbeiten, normalerweise aus schlechten Gründen. Weil sie nicht kommunizieren können oder keine Lust haben, es ernsthaft zu versuchen.

Was hat es mit FOSS und Linux auf sich? Meine Antwort in 3 Sätzen:
Wir benutzen immer unsere Computer und andere Geräte ohne darüber nachzudenken, wie sie funktionieren. Hinter Freier Software steht eine Philosophie, nicht nur Technik: Zum Beispiel sind zwei Kernpunkte Freier Software, Freiheit und Wissen zu teilen. Willst Du mehr darüber wissen, und warum es wichtig ist?


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